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Die Linde erzählt

Es gibt bestimmt viele ehemalige Schüler, die zur Leutewitzer Schule ein persönliches Verhältnis haben, aber ein Erlebnis der Vergangenheit ist etwas ganz Besonderes, was hier unbedingt erwähnt werden muss. Zeigt es uns doch, mit wie viel Liebe und Hochachtung sich ein Schüler an seine Schulzeit und damals unterrichtenden Lehrer erinnert.

Oskar Sommer, ein Schüler der allerersten Zeit, beendete seine Schulzeit 1882 und ging in den Dienst des Gutsbesitzers Adolf Zscheile nach Ockerwitz. Von ihm erhielt er 1883 den Auftrag, eine „Lutherlinde“ in den Schulhof zu pflanzen. Durch diesen Baum erhielt er eine ganz enge Verbindung zur Schulzeit, erkundigte er sich doch auch nach 50 Jahren noch nach ihr und dann gleich ein zweites Mal nach fast 60 Jahren.

Könnte Oskar Sommer heute über unseren Schulhof spazieren, was würde er wohl denken?

Wenn unsere Lutherlinde erzählen könnte.

Ich bin noch nicht ganz so alt wie die Leutewitzer Schule, aber immerhin bringe ich es zum 125jährigen Schuljubiläum auf stolze 118 Jahre. Dieses Alter verdanke ich unserem  Reformator Dr. Martin Luther, der am 10. November 1483 geboren wurde. An meine Anpflanzung im Jahre 1883 wurde 50 Jahre später mit folgenden Zeilen erinnert:

Zum 450. Geburtstage
u
nseres großen Glaubenshelden Dr. Martin Luther
und zum 50. Jubiläum
der Lutherlinde im Schulhofe zu Leutewitz

Heute war`s vor 50 Jahren, Als den Auftrag ich empfing,
Hinzugehn und auszugraben,
Diese ausgesuchte Lind.
Die im Schulhof gleichen Tages,
Ward gepflanzt und auch geweiht,
Daß sie nun den Namen trage,
Lutherlinde jederzeit.
Nun steht sie als stummer Zeuge,
Da für jenen Glaubensheld,
Der uns wieder auf den Leuchter,
Rein die Christenlehr gestellt.

Oskar Sommer, Melkermeister,
Hospitalgut Grimma i/S.

Dieses ausgesuchte Gedicht ist nicht das einzige, das mir zu Ehren verfasst wurde. Bekannt und sehr schön sind die Zeilen, die der Lehrer Max Meinhold 1948 meinem 65. Geburtstag gewidmet hat und die schon 1996 zum 120-jährigem Schuljubiläum in der Festzeitung gedruckt wurden.
Und die Frage nach meinen Maßen?
Mein Stammumfang erreicht jetzt 290 cm, meine Höhe 25 m. Damit überrage ich die Schule mit dem Turm-Männel! Schon vor fast 100 Jahren war ich stattlich und fast so groß wie die Schule, welche damals noch ein Geschoss weniger hatte als heute. Dies ist auf einer alten „Gruß aus Leutewitz“-Postkarte aus der Zeit vor 1904 zu erkennen.
Und mein Wert? 80 Tausend DM! Das kam so. Als 1994 der Schulanbau entstand, schnitten die beiden neuen Abwasserleitungen zur Warthaer Straße ziemlich genau meinen Standplatz. Die Leitungen mussten in etwa 5 m Tiefe verlegt werden. Man entschlosssich zum unterirdischen Rohrvortrieb. Hätte ich dabei Schaden genommen, so wären die 80 TDM als Versicherungssumme fällig gewesen.
Auch ein natürlicher Wasserlauf, der unter dem Schulgebäude abwärts führt, liegt in meinem Revier. Ein aus Pläner gemauerter Brunnen diente der Wasserentnahme. Er wurde zufällig beim Verlegen einer neuen Wasserleitung in den 1970er Jahren entdeckt. Er befindet sich 3,5 Meter von meinem Stamm entfernt neben dem Schuleingang, hat unten 4 Meter Durchmesser und soll grob geschätzt 360 Jahre (!) alt sein. Er führt ständig ungefähr 7 Meter Wasser, der obere Wasserspiegel befindet sich in 18 Meter Tiefe. Die Schwankungen geben wichtige Aufschlüsse über den Grundwasserpegel. Deshalb wird in dieser Messstelle Nr. 4948 4049 der Wasserlauf  monatlich durch die Staatliche Umweltbetriebsgesellschaft kontrolliert. Das Wasser fließt ständig und ist von guter Qualität.

Seht ihr mich jetzt mit anderen Augen an, wenn ihr den Schulhof betretet?